Datum: Samstag 18.09.2021
Ort: Alte Feuerwache Köln
Block 1 - Session 10
Zeit: 12.00h – 13.30h
Das Amateurmusizieren ist mit schätzungsweise 14 Millionen Menschen, die in ihrer Freizeit Musik machen eine der größten Bewegungen des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland und damit ein wesentlicher Bestandteil der Zivilgesellschaft. Es ist die kulturelle Ausgleichskraft im Prozeß der Globalisierung. „Kultur“ beinhaltet dabei wesentlich mehr als nur den künstlerischen Bereich: Sie ist die Kraft der selbstbestimmten Gestaltung individuellen Lebens und der Entfaltung aller menschlichen Potentiale im Individuum. (aus: Deutscher Musikrat / MIZ - Hrsg.: Musikleben in Deutschland, 2019)
In dieser Session wird beispielhaft die Arbeit von Mitgliedsorganisationen der Laienmusik im LMR NRW vorgestellt und von freien Laien-Bands Geflüchteter und Migranten, deren Arbeit aus dem Bereich 'Kulturelle und inklusive Vielfalt in der Musik' des LMR NRW gefördert werden.
Und es werden nicht verbandlich organisierte, freie Organisationen der Laienmusik aus Bereichen des immateriellen lokalen musikalischen Kulturerbes in NRW ihre Arbeit vorstellen: das Singen der Lieder der deutschen Arbeiterbewegung im Kontext von Gewerkschaften und nahestehender Bewegungen sowie die Kölsche Chorbewegung in Kontext des Rheinischen Karneval.
So in Videos und Berichten sowohl Unterschiede, wie auch Gemeinsamkeiten der Arbeitsweisen, Organisationsformen und Interessen präsentiert und Erfahrungen ausgetauscht - auch mit anderen Amateurmusiker*innen aus anderen Ensembles und Projekten der Region. Alle sind herzlich willkommen zu diesem Gipfeltreffen guter Schwingungen!
„Loss mer singe“ entstand 1999/2000 in einer Wohnküche in Nippes, wo der Erfinder der Mitsinginitiative, Georg Hinz, seine alten Freunde vom Niederrhein fit für die Karnevalssession machen wollte. Jeder bekam einen Zettel mit den Refraintexten, dann wurden mit ein paar einleitenden warmen Worten die mutmaßlich besten Neuvorstellungen der Session abgespielt und gesungen. Höhepunkt der kleinen Vorkarnevalsparty war die Abstimmung über den Hit der Session. Seitdem hat sich nicht viel am Konzept geändert: Mitsingen, Mitfeiern, Mitstimmen, Mitmachen.
2001 ging es aus Küche in die Kneipe. Der inzwischen 40köpfige Freundeskreis konfrontierte 100 Zufallsgäste mit der Liedauswahl und lud zur Abstimmung ein. Im Jahr drauf waren es 250 Sänger*innen und 150 Gäste. Dann werden die Black Föös eingespannt und ab 2003 geht’s mit diesem wunderbaren Konzept auf Kneipentour. Erst sechs, dann elf, dann siebzehn … zum Jubiläumskonzert 2020 wurde der Wettbewerb in 39 Kneipen und auf einem der KD Schiffe ausgetragen und insgesamt, 14.256 Stimmzettel ausgezählt. Gewonnen haben die Bläck Föös.
„Los mer singe“ ist seit 2008 ein eigetragener Verein, geht „Op Jöck“ ins Kölner Umland und gibt Gastspiele in Berlin, Hamburg und München. 2017 wurden Georg Hinz und Helmut Frangenberg in Vertretung für den Verein mit dem Rheinlandtaler ausgezeichnet.
Georg Hinz
Der in Goch am Niederrhein geborene Diplom-Religionspädagoge, Diplom-Sozialarbeiter und Diplom-Pädagoge lebt und arbeitet seit 1991 in Köln. Von 1993 bis 1999 arbeitete er journalistisch für verschiedene Radiosender und in der Ausbildung von Bürgerfunk-Aktiven, in den folgenden zwei Jahren baute er das Musikformat des neu entstandenen Kölner Domradios auf und ist dem Sender seitdem als nebenberuflicher Musikredakteur verbunden geblieben. Seit 1995 ist er hauptberuflich als Kulturreferent im Kölner DOMFORUM, dem Begegnungs- und Besucherzentrum des Kölner Doms, tätig. Sein musikalisches Interesse lebte er seit seinem 14. Lebensjahr bis Ende der 90er Jahre insbesondere als klassischer Pop-DJ aus. Fasziniert von der lebendigen, kölschen Musikkultur begann er Anfang der Neunziger Jahre sich mit dem Phänomen und der Bedeutung des jährlich wachsenden Liederschatzes in Kölscher Sprache, der in allen Generationen und Milieus in Köln und den umliegenden Regionen „Volksliederstatus“ hat, zu beschäftigen. Musik als Integrationsfaktor, als Gemeinsamkeit schaffende Kraft ist ein wichtiges Thema für ihn. So entstand in seiner Küche Ende der 1990er Jahre die „Loss mer singe – Bewegung“, eine Bewegung ehrenamtlicher Amateur-Chorprojekte im Kontext des Rheinischen Karnevals.
Der Menschenrechte-Chor setzt sich musikalisch und inhaltlich mit dem Thema Menschenrechte auseinander. Unter Leitung der Wuppertaler Sängerin und Komponistin Anna Luca Mohrhenn erarbeitet er musikalische Arrangements zu den Menschenrechtsartikeln, aber auch Civil Rights Songs und andere, thematisch passende Stücke. Vor allem aber textet und komponiert der Chor selbst. Gesungen wird miteinander und über sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg. Der Chor besteht seit Anfang 2019 und aktuell aus etwa 15 Menschen - zumeist zwischen 20 und 30 Jahren, mit und ohne Chorerfahrung, international und interkulturell. Der Menschenrechte-Chor ist ein Projekt der Paritätischen Akademie NRW in Kooperation mit dem soziokulturellen Zentrum „die börse“ in Wuppertal.
Pia Rojahn
Die Erziehungswissenschaftlerin engagiert sich seit seiner Gründung im Februar 2019 im Menschenrechte-Chor. Von 2017 bis 2018 hat sie im Chor Xochicuicatl des Lateinamerikanischen Frauenvereins in Berlin mitgesungen. Chorsingen und politisches Engagement sind daher schon lange für sie miteinander verknüpft. Deshalb hat sie die Idee des Menschenrechte-Chors von Anfang an begeistert. Wenn sie gerade nicht singt, schreibt sie fleißig an ihrer Doktorarbeit, in der sie sich mit Hannah Arendts bildungstheoretischer Bedeutung für die Lehrkräftebildung auseinandersetzt. Die Überschneidungen von Politik und Pädagogik beschäftigen sie schon lange. Außerdem arbeitet sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bergischen Universität Wuppertal und gibt im Rahmen des Projekts 'Kohärenz in der Lehrer*innenbildung' Seminare zu Themen wie 'Education and Belonging in a Hostile World/Bildung und Zugehörigkeit in einer feindlichen Welt' für Lehramtsstudierende im Bachelor.
Die Mischung macht´s – Musiker*innen aus dem Iran, Syrien, Irak, Argentinien, Deutschland und Holland verschmelzen ihre musikalischen Traditionen zu etwas einzigartig Neuem: Musik als Ausdruck von Offenheit und Verständigung. Die Band 5000 Miles präsentiert nahöstliche Welt- und Popmusik in westlichem Gewand, spielt arabische, persische und kurdische Musik.
Gestartet ist das Projekt Anfang 2016 auf Privatinitiative von Susanne Wagner & Friends mit dem integrativen Projekt 'Chor ohne Grenzen', an dem bis zu 30 Sänger*innen aus acht verschiedenen Ländern teilnahmen. Um mit der neuen Sprache vertrauter zu werden, wurden zunächst deutsche Lieder gesungen, zunehmend dann auch Lieder, die die Sänger*innen aus ihren Heimatländern mitbrachten. Schnell entstand ein Repertoire in fünf Sprachen. Anfang 2018 wurde dann aus dem Chor die Band 5000 MILES. Neben dem gemeinsame Musizieren wurden Freizeitaktivitäten und Hilfe bei Alltagsproblemen angeboten, es entstanden Freundschaften und Sprachpatenschaften. Heute geht es nicht mehr in erster Linie darum, fremde Menschen bei ihrer äußerst schwierigen Ankunft in Deutschland zu unterstützen, sondern es wird mit großer Lust an der Musik bereits vollzogene Integration auf die Bühne gebracht. Die Konzerte finden an den verschiedensten Orten und zu ganz unterschiedlichen Anlässen statt.
Susanne Wagner
Die Musikerin (Piano, Akkordeon), Gründerin und Leiterin der Band 5000 Miles (vorher: Chor ohne Grenzen) lebte nach Auslandsaufenthalten in den USA und den Niederlanden von 1996 bis 2002 in Berlin. Neben ihrer Arbeit in dem sich gerade neu entwickelten Bereich Neue Medien im Finanzsektor, jammte sie sich nach Feierabend durch gefühlt alle Berliner Jazzkneipen.
In der Vergangenheit leitete sie diverse Gospelchöre und Bands und ging viermal auf Tournee mit Musiker*innen aus 10 verschiedenen Ländern, den Continental Singers. Mit ihnen gab sie über 100 Konzerte in 15 europäischen Ländern. Außerdem tourte sie im Auftrag von World Vision, einer christlichen Hilfsorganisation, durch Indonesien. Gemeinsam mit ihrem Mann schrieb sie 2 Musicals, die im Rahmen von Weihnachtsgottesdiensten in der Kirche mit jeweils 20 Schauspielern, Chor und Band aufgeführt wurden. Als Komponistin ist sie für den Edition Peters Verlag tätig.
Music of Hope ist ein wöchentliches Angebot für junge Menschen mit Fluchterfahrung. Es handelt es sich um eine Community-basierte Musiktherapie, bei der die Teilnehmer*innen die Möglichkeit haben, ein Instrument zu erlernen oder sich einfach nur musikalisch in der gemeinsamen Jamsession auszuleben. Zusammen werden Musikstücke geprobt und Auftritte organisiert. Alle Teilnehmer*innen haben die Möglichkeit das Projekt aktiv mitzugestalten. Hauptziel des Angebotes ist die Förderung von interkulturellem Verständnis und Toleranz zwischen Menschen verschiedener kultureller Prägungen sowie die künstlerische Aufarbeitung ihrer Erfahrungen. Die Musikstücke werden von den Teilnehmer*innen selbst in demokratischer Abstimmung ausgewählt.
Zusätzlich gibt es Möglichkeiten und Raum für das Schreiben eigener Texte, für Improvisationen und das Üben sozialer Kompetenzen.
Zainab Lax
Die Multi-Instrumentalistin und Musiktherapeutin hat neben ihrem Hauptinstrument, der Harfe mit einem westlichen klassischen Hintergrund, auch verschiedene östliche Instrumente wie die indische Sarod oder die persische Tar erlernt. 2017 hat sie ihren Bachelor in Musiktherapie am ArtEZ Konservatorium in den Niederlanden gemacht. Während des Studiums hat sie sich auf verschiedene Musiktherapeutische Methoden spezialisiert und war in diesem Rahmen in Projekten in Deutschland (Train of hope, Kultur3Eck, Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V.), den Niederlanden (Connecting Hands, Stichting Vrolijkheid) Indien (Learn for Life school) und Griechenland (Connect by music) tätig. Momentan ist sie dabei, ihren Master am Center for Worldmusic in Hildesheim abzuschließen. Ihr Fokus auf transkulturelle Musik liegt daran, dass ihre Wurzeln in der Türkei, Indien und Afghanistan liegen, was sie zu einer flexiblen Person mit kultureller Sensibilität gemacht hat. Die Musik hat ihr immer bei Suche nach ihren Wurzeln und der eigenen Identität geholfen und genau diese Erfahrung möchte sie gerne mit den Menschen teilen, die Entwurzelung erfahren haben.
Der ChorVerband NRW e.V. mit Sitz in Dortmund ist ein Zusammenschluss von rund 3.000 Chören mit über 200.000 aktiven und fördernden Mitgliedern in 59 Sängerkreisen. Er ist der größte Landesverband innerhalb des Deutschen Chorverbandes und der landesweit größte Kulturverband in NRW.
Neben dem eigenen Bildungsprogramm für Kinder- und Jugendliche, das sowohl Sänger*innen als auch jungen Chöre unterstützt, dem Sing-Förder-Programm 'Toni singt' für Kinder im Vorschulalter, das 2004 landesweit gestartet ist, bietet der Verband auch ein sehr umfangreiches musikalisches Fortbildungsprogramm auf Landes-, Regional- und Kreisebene für Sänger*innen, Chorleiter*innen und ehrenamtlich tätige Vorstände in Form von Kongressen, Coachings oder Seminaren an. Das einzigartige Angebot an „Leistungssingen“ (Festivals und/oder Chorbühnen im ganzen Land) bietet allen Chören die Chance zum freundschaftlichen Vergleich und Miteinander und dadurch zur Steigerung der eigenen Leistungen. In seiner musikalischen Vielfältigkeit und in der Breite seiner Darbietungsformen ist der Verband auf einem ständigem Wachstumskurs.
Regina van Dinther
Die ausgebildete Diplomingenieurin für Bekleidungstechnik war insgesamt 26 Jahre Mitglied des Düsseldorfer Landtages und von Juni 2005 bis Juni 2010 Landtagspräsidentin und damit erst die zweite Frau an dessen Spitze. In ihrer politischen Arbeit ging es der Landespolitikerin vorrangig um die Menschen in Nordrhein-Westfalen, insbesondere um Familien, Frauen und Kinder. So hat sie sich um die Themen gekümmert, für die es noch keine große Lobby gab: Frauenrechte, Minderheitenrechte, Integrationsfragen. Ihrer Meinung nach sollte der Landtag ein offenes Haus sein, ein Treffpunkt, der vermittelt, was dort passiert und der die Einflussmöglichkeiten der einzelnen Bürger*innen sichtbar macht. 2015 wurde sie von den Delegierten des Chorverbands Nordrhein-Westfalen nahezu einstimmig zur Präsidentin gewählt. Nach 152 Jahren Männerherrschaft steht nun erstmals eine Frau an dessen Spitze.
Dr. Carolin Müller ist promovierte Kulturwissenschaftlerin (Ph.D.) und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Koordinatorin für wissenschaftlichen Nachwuchs am Medienzentrum der Technischen Universität Dresden. In dieser Funktion gestaltet und moderiert sie hybride Konferenzformate zu den Themen Data Science & Social Sciences sowie Bildungstechnologie.
Ihre Forschungen liegen an der Schnittstelle von Migrationswissenschaft, Performance Studies und Aktivismusstudien. Dabei beschäftigt sie sich konkret mit künstlerischen und musikalischen Strategien, die in politisch umkämpften Räumen zum Einsatz kommen. Ein besonderer Fokus fällt in diesem Zusammenhang auf die Rolle von Kunst und Musik in aktivistischen Netzwerken und Debatten um Partizipation, Teilhabe und Zugehörigkeit. Ihre Doktorarbeit schrieb sie über das Dresdner Brassensemble Banda Comunale/Internationale, deren Beteiligung an Diskursen gegen Rechts und ihren Einsatz für die Rechte von Mitbürger*innen mit Fluchterfahrung. Diese ethnografische Arbeit mündete in Feldforschungen in Deutschland, Italien, Burkina Faso und der Türkei. Die Ergebnisse ihrer Forschungen präsentiert sie auf wissenschaftlichen Fachtagungen und in einschlägigen Fachzeitschriften.
Als ausgebildete Kunstpädagogin (M.Ed.) konzipiert sie partizipatorische Workshopkonzepte für Vereine rund um die Themen künstlerische Nachhaltigkeit, Migration und Performance. Während ihrer Promotion gründete sie u.a. an der Ohio State University die Migration Studies Working Group, deren Netzwerkstruktur sie als Präsidentin maßgeblich aufbaute und in deren Rahmen sie Konferenzen und Treffen zum Austausch zwischen Wissenschaftler*innen und NGOs umsetzte. Zudem organisierte und leitete sie als Kuratorin 2015, 2016, 2018 und 2019 transatlantische künstlerische Austauschprojekte mit Künstlern aus Deutschland, den USA und Burkina Faso.
Landesmusikrat Nordrhein-Westfalen www.lmr-nrw.de |